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Nazis im Himalaya?

nepal 908837 1920Nazi-Schergen mit langen Ledermänteln im Himalaya, auf Befehl des Führers auf der Suche nach der Bundeslade. Ein toller Plot, den sich Regisseur Steven Spielberg für den ersten Film seiner Indiana-Jones-Triologie, »Jäger des verlorenen Schatzes«, hat einfallen lassen.

Reine Phantasie?

Keineswegs.

Es gab tatsächlich eine beachtliche nationalsozialistische Expeditionspolitik nach Asien, bezahlt und gefördert durch die SS und durch ihren obersten Chef Heinrich Himmler höchstpersönlich, so der Historiker Dr. Peter Mierau. »Ich glaube zwar nicht, dass Spielberg das gewusst hat, aber es ist zumindest denkbar, dass der Regisseur ›Geheimnis Tibet‹ kannte, einen Film über die Expedition des Zoologen Ernst Schäfer in den Jahren 1938 und 1939, dessen Fertigstellung und Vertrieb von Himmler kontrolliert wurde«, meint der 35jährige Würzburger.

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Wie Mierau in seinem wissenschaftlichen Werk »Nationalsozialistische Expeditionspolitik – Deutsche Asien-Expeditionen 1933–1945« schreibt, vermutete Himmler in Tibet »Indizien für eine ur-arische Besiedlung«, die die Schäfer-Expedition unter anderem aufspüren sollte. Himmler habe die Sagen und Mythen Tibets bewundert und an eine sagenumwobene Vergangenheit des Landes geglaubt, daran, dass Tibet »ein Ort der Erlösung und des Paradieses, das sogenannte Shangri-La« sei.

Die verquasten Rassentheorien Himmlers wurden aus verschiedenen Quellen gespeist:

  • Aus der »Glacial-Kosmogonie«-Lehre von Hanns Hörbiger (dem Vater der beiden Schauspielerbrüder), nach der in Urzeiten die Welt von Eis umgeben war, das teilweise immer noch erhalten ist, und die unterem anderem besagt, dass der Mond in Wirklichkeit einer der letzten Teile dieses Eisgürtels sei, mit dem die Erde möglicherweise eines Tages zusammenstoßen werde.
  • Aus Himmlers Überzeugung, dass die Vorfahren der Arier von hereinbrechenden Monden auf die Erde gelangt seien.
  • Aus der Vorstellung, dass eine riesige Arier-Rasse mit Atlantis untergegangen ist, als Strafe dafür dass sie sich mit »tierähnlichen Rassen« vermischt hatten.

Dafür sollten nun NS-Wissenschaftler auf Anweisung Himmlers Beweise suchen. Der nach Hitler zweitmächtigste Mann des Dritten Reiches gründete das »SS-Ahnenerbe«, in dem unter dem Dach des Schwarzen Ordens Wissenschaftler zusammengezogen wurden. Sie bekamen unter anderem den Auftrag in Peru und in Tibet zu forschen.

Ernst Schäfer und seine vier Begleiter reisten 1938 zwar nicht im offiziellen Auftrag der SS, ihnen wurde aber dennoch vor allem von Seiten der englischen Presse politische Motive unterstellt. Deshalb verbot die britisch-indische Regierung vorsichtshalber die Einreise nach Tibet. Die Expeditionsteilnehmer durften aber im Norden Sikkims, an der Grenze zu Tibet, ohne weitere Probleme arbeiten.

yak 1000242 1920Schließlich gelang es Schäfer, eine Einladung des tibetischen Ministerrats nach Lhasa zu erhalten. Nach einem Bericht des Expeditionsleiters wurden »die ersten Deutschen in der heiligen Stadt« mit großer Wertschätzung empfangen. Man habe eine Unzahl Geschenke erhalten wie getrocknete Schafe, Schweinemumien, Tsamba (geröstete und gewürzte Gersteröllchen), Mehl, Reis, Pferdefutter und nahezu 1000 Eier.

Während des Aufenthalts der Expedition sei deutlich geworden, so Mierau, dass die tibetische Regierung offenbar an einer verstärkten Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich interessiert war.

Wissenschaftlich war das Ergebnis der Tibet-Expedition unter Ernst Schäfer eher gering. Die Schädelvermessungen durch den Anthropologen Bruno Beger, eigens vom SS-Rasse- und Siedlungshauptamt abgestellt, ergaben keine schlüssigen Beweise für irgendeine arische Vergangenheit in dem abgelegenen »Dach der Welt«, einzig der Zoologe Schäfer konnte die Existenz des »Schapi«, einer Nebenart des europäischen Damhirsches, nachweisen. Bedeutender waren die Untersuchungen der tibetischen Volkskunst, die teilweise grundlegend für die Tibetologie in Deutschland nach 1945 werden sollten.

himalayas 694635 1920Mierau: »Sowohl aus den Zeitungsmeldungen als auch aus den Publikationen Schäfers in einzelnen Fachblättern wird deutlich, dass von Schäfers Expedition für die Zeitgenossen etwas Faszinierendes und Kurioses ausging: Tibet war ein nahezu unbekanntes und isoliertes Land in Asien, fernab eines aktuellen Interesses der Leser. Umso mehr erregte das Fremde Aufsehen, zeigte es schließlich den Lesern, dass bis in die entlegendsten Gegenden der Erde deutsche Forscher unterwegs waren. Für die Wissenschaftler selbst bedeutete die Rückkehr aus Asien erst den Beginn einer intensiven Tätigkeit im Ahnenerbe bis in die letzten Kriegstage. Sie sind ein besonders markantes Beispiel dafür, dass Wissenschaftler sich bereitwillig mit der NS-Ideologie einließen, um ihre Forschungen betreiben zu können. Von der Schädelvermessung an Tibetern lässt sich eine Entwicklung bis zur Selektion von Juden in Auschwitz für Rassenuntersuchungen nachweisen.«

Die Expeditionen sollten fortgesetzt werden, aber der Kriegsausbruch verhinderte dies. Auch Versuche Schäfers über Russland nach Tibet zu gelangen, wurden von den politischen und militärischen Ereignissen überrollt. Bis heute ranken sich viele Gerüchte um die SS-Expeditionäre in Tibet. Laut Mierau ist es für einige Anhänger esoterischer oder rechts-okkultistischer Gedanken bis heute reizvoll, zwei an sich nur irrational zu verstehende Themen, den Nationalsozialismus und den Lamaismus in Tibet, miteinander in Verbindung zu bringen. Nur gut, dass es jetzt dazu eine wissenschaftliche Aufarbeitung gibt.